Sehr geehrte Damen und Herren,
der Gesetzgeber hat am 22.12.2020 noch einmal das Gesetz über Maßnahmen zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid 19 Pandemie überarbeitet (kurz Covid Maßnahmen Gesetz COVMG).
Für Vereine gilt weiterhin § 5. Die Neuregelungen stelle ich auf Basis der allgemeinen gesetzlichen Grundlagen und der gesetzlichen Neuregelungen im Folgenden vor:
1. Grundsätzlich geht der Gesetzgeber in § 32 I Satz 1 BGB davon aus, dass die Mitgliederversammlung des Vereins eine Präsenzmitgliederversammlung ist. Als Alternative dazu sieht der Gesetzgeber an sich nur die schriftliche Abstimmung vor, die aber eine einstimmige Beschlussfassung aller Mitglieder verlangt.
2. Ausgehend von dieser regulären Rechtslage ist eine virtuelle Versammlung daher grundsätzlich nur möglich, wenn die Satzung dazu eine klare Regelung enthält. Das ist aber bei den meisten Vereinen bisher nicht der Fall. An dieser Stelle setzten die Erleichterungen im Covid Maßnahmengesetzes an.
a) Im Frühjahr 2020 hatte der Gesetzgeber zunächst die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen, an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben. Das war die gesetzliche Grundlage für die virtuelle Versammlung. In der Praxis gab es aber grundsätzliche rechtliche Unsicherheiten. Wenn es nämlich für ein Mitglied unangemessen erschwert war, auf diese Art und Weise an der Mitgliederversammlung teilzunehmen, konnte es Beschlüsse anfechten. Bei der virtuellen Versammlung kam ein solches Anfechtungsrecht in Betracht, wenn beispielsweise die technische Ausstattung nicht zur Verfügung stand oder die erforderlichen Kenntnisse fehlten. Da nach der bisherigen Rechtsauffassung bereits dann alle Beschlüsse der Mitgliederversammlung durch Anfechtung angegriffen werden konnten, wenn nur ein einziges Mitglied eine solche Erschwernis nachweisen kann, musste man zusätzlich noch die Möglichkeit der schriftlichen Abstimmung schaffen. Bei dieser schriftlichen Beschlussfassung besteht allerdings das Problem, dass sie bereits vor der Versammlung erfolgen muss, man also nicht auf eine Veränderung von Beschlussvorlagen in der Versammlung eingehen kann. Auch bei Wahlen ist so etwas problematisch, wenn man keine neuen Kandidaten mehr aufstellen kann.
b) An dieser Stelle greift jetzt die neue Regelung ein: Der Vorstand kann jetzt verpflichtend vorsehen, dass die Vereinsmitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort ihre Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen. Das entspricht einer verbindlichen Regelung der virtuellen Mitgliederversammlung in der Satzung. Das bedeutet wiederum, dass die Mitglieder sich nicht mehr auf die Erschwernis der Teilnahme berufen können. Hilfreich ist das insbesondere dann, wenn nur wenige Mitglieder die Teilnahme an der virtuellen Mitgliederversammlung verweigern. Wenn jedoch größere Teile der Mitgliedschaft (beispielsweise altersbedingt) nicht ausreichend vertraut mit den Abläufen im Internet sind, wird die virtuelle Mitgliederversammlung zwar rechtlich mit dem neuen Gesetz möglich gemacht, stellt aber sicherlich keine praxisnahe und empfehlenswerte Option dar! Hier ist der Vorstand stets gehalten, individuell zu überlegen, welche Alternativen in Betracht kommen.
c) Die Neuregelung gilt ab dem 28.2.2021 (Inkrafttreten) bis 31.12.2021.
3. Weil virtuelle Versammlungen für viele Vereine/Sektionen aber nicht praktikabel sind und auch die alternative Lösung der (durch das Covid Gesetz erleichterten) schriftlichen Beschlussfassung an dem immer noch sehr hohen Beteiligungsquorum von 50 Prozent in aller Regel scheitert, ist erneut an das Thema Verschiebung der Mitgliederversammlung zu denken. Hier gab es bei den Vorständen erhebliche Unsicherheit darüber, ob eine solche Verschiebung rechtlich zulässig ist und welche Haftungsfolgen gegebenenfalls entstehen können. Die Neuregelung des § 5 II Nummer 2 a des Covid Maßnahmen Gesetzes enthält hierzu ebenfalls eine Klarstellung: jetzt ist folgendes neu geregelt:
Abweichend von § 36 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Vorstand nicht verpflichtet, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliederversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.
Solange also die Pandemieauflagen bestehen (das ist Voraussetzung!) die sich nach den landesrechtlichen Regelungen richten, hat der Vorstand die Möglichkeit ohne negative rechtliche Folgen die Mitgliederversammlung zu verschieben. Subjektive Überlegungen des Vorstandes, dass eine Präsenzveranstaltung aufgrund gesundheitlicher Bedenken nicht stattfinden sollte, zählen nicht, wenn die Behörde entsprechende Auflagen aufgehoben hat, die derzeit noch eine derartige Präsenzveranstaltung verhindern.
4. Das OLG München hat in einem Beschluss vom 23.11.2020 entschieden, dass das Minderheitenbegehren weiterhin möglich bleibt. Auch eine per Minderheitenbegehren ausgelöste bzw. einberufene Versammlung kann nämlich virtuell oder durch schriftliche Beschlussfassung durchgeführt werden. Dies umso mehr aufgrund der jetzt vorliegenden Neuregelungen.
5. Gesetzestext § 5 der Neufassung des Covid Maßnahmengesetzes (COVMG) ab 28.2.2021:
§ 5 Vereine, Parteien und Stiftungen
(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigungen in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder
1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen, und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen,
2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben können.
(2a) Abweichend von § 36 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Vorstand nicht verpflichtet, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.
(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
(3a) Die Absätze 2 und 3 gelten auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen sowie für andere Vereins- und Stiftungsorgane.
(4) Absatz 1 gilt für Vorstandsmitglieder und Vertreter in den sonstigen Organen und Gliederungen der Parteien entsprechend. Absatz 2 Nummer 1 gilt für Mitglieder- und Vertreterversammlungen der Parteien und ihrer Gliederungen sowie ihrer sonstigen Organe entsprechend. Dies gilt nicht für die Beschlussfassung über die Satzung und die Schlussabstimmung bei Wahlen nach § 9 Absatz 4 des Parteiengesetzes. Die Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung im Wege der Briefwahl oder auch zeitlich versetzt als Urnenwahl an verschiedenen Orten zulassen. § 17 Satz 2 des Parteiengesetzes bleibt unberührt.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Groß
Rechtsanwalt
Tel. +49 8031 1804 0